31 Oktober 2003

La mosca che mi ama molto

Morgens windig und trübe mit dichter Bewölkung, aber trocken und nicht kalt. Beim Blick auf die Veranda erkenne ich eine der Nachbarkatzen, die es sich auf meinem Auto bequem gemacht hat. Unklar, ob wieder den ganzen Tag arbeiten oder Ausflug. Wenn man in der Wohnung herumlaufen und dabei Erklärungsversuche für Sinterphänomene vor sich hinmurmeln als Arbeit bezeichnen kann dann bis gegen 16 Uhr gearbeitet. Dann kurzer Ausflug nach Castelfranco mit Pfotenabdrücken auf der Windschutzscheibe. Dort ein Schreibwarenladen mit schier unglaublicher Auswahl an Zeitungen. Eine "ZEIT" gekauft für 4 Euro und die teuren italienischen Oldtimerzeitungen (drei verschiedene) stehengelassen. Ausserdem leckeres, unverschämt süsses Zeugs in einer Bäckerei erstanden.

Bis zum Abendessen ein Bier und gelesen. Abends zunächst eine sehr aufwendige Brot-Kartoffel-Gemüse-Suppe (eher ein Eintopf), an dem die signora seit zwei Uhr mittags gekocht hat. Der Rest der grossen Schüssel wird morgen als Auflauf weiterverwendet. Dann Fisch mit überbackenen halbierten Zwiebeln. Zum Nachtisch ein Stück Kuchen vom Dienstag. Gespräch über den morgigen Feiertag (Allerheiligen) driftet in Richtung Religion und dann zur Integration von Zuwanderern. Die Familie hat lustige Erfahrungen mit einem bekloppten Polen gemacht, der als Aushilfe vor einigen Jahren im Sommer hier gearbeitet hat. Seitdem nehmen sie keine Aushilfen mehr. In der Diskussion über Assimilation oder Integration nehmen beide die Position der Integration ein. Dennoch haben sie grosse Schwierigkeiten mit dem Verhalten der "musilmane" oder, ganz besonders, der "arabi". Natürlich sind beide katholisch. Ein dem deutschen "Kruzifix"-Urteil ähnliches Urteil gab es auch in Italien, allerdings sind die Wogen des Protestes hier höher geschlagen. Am kommenden Dienstag ist ebenfalls ein Feiertag, der 4. November, Italiens Einheitstag. Dort feiert man die Rückeroberung einiger italienischer Provinzen von Deutschland im Jahre 1918. Ist kein offizieller Feiertag, d.h. die Geschäfte haben offen. In San Giovanni und in Castelfranco dazu (wie überall) Gottesdienst und Parade der Veteranen. Der Vater des signore hat dort auch gekämpft. Gegen 22 Uhr zurück, noch etwas gelesen, dann ins Bett. Da draussen wärmer und Heizung an gut geschlafen.

30 Oktober 2003

Il tempo ventoso

Wetter soll heute wie gestern werden, ist es auch, aber mit längeren Regenpausen. Dafür sehr windig. Aus dem Kamin tropft es leicht auf meine dort drapierten Unterlagen. Wieder viel gearbeitet im Vertrauen darauf, daß ich damals bei meinen Experimenten schon an alles das gedacht habe, an das ich mich heute nicht mehr erinnern kann. Anstatt Neues zu schaffen versuche ich erstmal, das Alte verständlich zu machen. Nachmittags dann aber wieder kreativ und Überarbeitung bis einschliesslich Kapitel 6 abends abgeschlossen. Draussen immer wieder Regen. Am späten Nachmittag Auto mit Pflanzenöl befüllt und nach San Giovanni gefahren. Auch dort gibt es eine hübsche Altstadt mit Fussgängerzone und ragazze, aber gut versteckt. Geschäfte überwiegend Mode und Schuhe. Am 4.11. ist grosse Feier (Einheitstag Italiens o.ä.) in der Kirche mit Dekoration von Veteranen. Zwei Stück Pizza gekauft und zum Essen zurück in die Wohnung.

Draussen jetzt teilweise wolkenlos mit schönem Mond. Abends bei einem Glas Wein gelesen bis 22:30 (Gaddis fertig). Als ich im Bett liege draussen wieder Regen. Gut geschlafen.

29 Oktober 2003

Hochzeitstag

Wie angedroht dichter Nebel bis zum Haus, der sich nur langsam verzieht. Vorherrschende Farbe grau. Dazu Regen zwischen Nieseln und Sturzbach mit starken Böen. Ab 10 Uhr gearbeitet. Zum Mittagessen zwei der eingetüteten Croissants vom Frühstück. Gegen 15 Uhr hört der Regen auf und ich mache einen kurzen Spaziergang Richtung Lama. Von dort schöner Blick über das Tal und das Anwesen. Bei strahlendem Sonnenschein kriecht schnell vom Tal aus dichter Nebel herauf und hüllt das Haus bald komplett ein. Ich stehe oberhalb und bewundere das Schauspiel. Der Nebel verzieht sich aber und es beginnt wieder zu regnen. Abends lerne ich, daß meine Gastgeber heute ihren 30. Hochzeitstag feiern und bin natürlich etwas verlegen, weil ich der signora nicht mal eine Blume geben kann. Scheint aber insgesamt recht unspektakulär über die Bühne zu gehen, auch die Schwiegertochter bringt ihre Blumen eher gelassen. Könnte aber auch an mir liegen. Zum Abendessen zunächst Röhrennudeln mit etwas Fleisch, dann ein überbackener Kartoffelauflauf mit Pilzen drin, sehr lecker. Zum Nachtisch ein Stück Kuchen. Gespräch tröpfelt dahin über Hochzeitstage und Hochzeiten. Zum Nachtisch einen Grappa, der aus den gleichen Trauben hergestellt wird wie der Rotwein aus der Kooperative in San Giovanni, den hier alle trinken. Ich werde morgen mal wieder eine Pause beim Abendessen einlegen. Gegen 9:30 Uhr wieder zurück, noch gelesen bis gegen Mitternacht (Seite 1000!).

28 Oktober 2003

Party voller Spinner

La signora hatte ab Morgen zwei Tage Regen vorhergesagt. Deshalb heute nach dem Frühstück gegen 10 Uhr bei bedecktem, aber trockenem Wetter aufgebrochen in Richtung Greve.

Von dort über Castellina in Chianti Richtung Siena, vorher aber westwärts nach Volterra.

Westlich der Achse Florenz-Siena verändern sich sowohl die Landschaft als auch die, die dort weilen. Die grüne, hügelige Gegend verwandelt sich in wenig bewaldete, intensiv bewirtschaftete Ackerflächen. Da Ende Oktober liegen diese brach und die Landschaft ist braun. Plötzlich viel mehr Touristen unterwegs, auch in Wohnwagen. Hauptsächlich Deutsche, dann Franzosen, jeweils ein Engländer, Belgier und Holländer. In Volterra gegen Mittag angekommen. Auf den bergigen, kurvigen Strassen läßt sich ein Schnitt von etwa 50 km/h erreichen. In Volterra Stadtbummel und an einem Cafe am Markt ein Panino mit Pecorino-Käse und einen Cappuccino. Jüngerer Barbesitzer, sehr schweigsam und introvertiert, auch gegenüber seiner kleinen Tochter. Touristen trinken Cappuccino, Italiener Espresso.

Hübsche Stadt, deutlich auf Touristen orientiert (SPIEGEL gekauft). Eine der Hauptattraktionen ist der Alabaster, der bei Volterra gebrochen wird und der in jeder noch so kitschigen Form (kleine Engelchen sind sehr beliebt) an die Idioten verramscht wird. Am Marktplatz ein Verkaufsgeschäft einer "Kooperative der Alabasterkünstler Volterras" oder so ähnlich. Ein grosses, helles Ladengeschäft, das meine Aufmerksamkeit auf sich zieht wegen einer im Fenster ausgestellten Schale. Sie ist natürlich auch aus milchigem Alabaster, enthält aber grosse eingesetzte Stücke aus farbigen Steinen. Effektvoll von unten beleuchtet, chargieren diese Stücke ihre Farbe je nach Beleuchtung. Ein überaus schönes Stück, das aus dem Ramsch merkwürdig hervorsteht. Kein Mensch interessiert sich dafür. Die gelangweilte Bedienung dreht auf meinen Wunsch die Schale um und liest die Zahl "324" ab. Leider habe ich meine Kreditkarte im Haus gelassen. Leise fluchend ziehe ich meiner Wege. Weiter gegen 14 Uhr auf kleinen Landstrassen Richtung San Gimignano. In dieser Gegend sehr viel Tourismus. Vor der Stadt an einer kleinen Einfahrt zu einem Stück Feld angehalten und ein Photo von den Türmen gemacht. Selbst dort ist im hohen Gras der Pfad zu einer guten Photostelle schon von tausend Füssen vor mir ausgetrampelt. Das Photo wird also auch keinen besonderen Seltenheitswert haben.

San Gimignano von Fernem

In San Gimignano soll ich für einen Parkplatz bezahlen, da stelle ich das Auto lieber an einen Abhang und hoffe, daß es noch da ist wenn ich wiederkomme. Aufstieg in die Stadt über eine Treppe am Hang. In der Stadt alles Fußgängerzone und viele Touristen. Sehr hübsch gemacht aber überlaufen. Vorherrschende Sprache ist Deutsch. Von unten verlieren die Geschlechtertürme ihre Ausstrahlung etwas, da immer nur wenige oder einer gleichzeitig zu sehen sind. Insgesamt mit Geschmack erhaltenes Städtchen. An einem Brunnen sitzt ein junger Mann und spielt Jazzstücke auf seiner Gitarre. Kinder stehen staunend um ihn rum. Man kann sie nicht früh genug an die richtige Musik gewöhnen. Ich setze mich ein paar Minuten auf die Treppe vor dem Dom und schaue mir die Piazza an. Dann weiter Richtung Siena in beginnendem Regen, von dort die Abkürzung über Castellina nach Montevarchi. In Castellina in Chianti kurz Halt gemacht, weil mir die Gegend bekannt vorkam. Kurzer Spaziergang durch die verlassene Stadt im Nieselregen. Auch hier war ich 1992 schonmal, wir hatten in einer noch nicht fertig ausgebauten Ferienwohnung unterhalb der Stadt unsere Zelte aufgeschlagen. Beim LIDL in Montevarchi nochmal 90 Liter Pflanzenöl gebunkert, darunter ein Karton Erdnussöl, eine besondere Spezialität, die ich mir für den nächsten Sommer aufbewahren werde. Kurz das Auto untenrum saubergemacht. Abends ist eine Schwester des signore aus Castelfranco zu Besuch. Abendessen also zu Viert. Zunächst Spaghetti Aglio e Olio con Pepperocini. Meine Gastgeber sind verwundert, daß ein Deutscher Spaghetti nur mit der Gabel essen kann. Anschliessend ein gutes Gulasch, dazu kalter Spinat in Olivenöl und Brot. Anschliessend ein Stück lockerer aber trockener Nuss-Schokoladen-Kuchen, wie er traditionell in Italien bei Hochzeiten gegessen wird. Einfache Konversation. An der Stelle des Hauses, in dem ich wohne, gehen Fundamente bis ins Jahr 1000 zurück. In meiner Wohnung mit dem grossen Kamin ist der signore zur Welt gekommen. Er hat das grosse Haus schon "als Jüngling", also vor vielen Jahren, zu Ferienwohnungen umgebaut. Unterhaltung über Hersteller von Stoffen in der Region Arezzo (gibt einen guten Laden in Arezzo). Familiengeschichten, darunter der Gedanke an spätere Lebensplanung. La signora besitzt noch eine komplett eingerichtete grosse Wohnung in Castelfranco, will dort aber nicht leben, sollte sich die Situation in ihrem Anwesen verändern. Schon vor 9 Uhr zurück ins Haus. Dort noch ein Glas Wein getrunken und bis gegen 12 Uhr gelesen (Seite 800-irgendwas, darunter die hundertseitige Schilderung einer Party voller Spinner).

27 Oktober 2003

Bier statt Wein

Sehr neblig und regnerisch. Heute den ganzen Tag gearbeitet bis auf einen kurzen Ausflug gegen 16:30 Uhr nach Montevarchi zum Supermarkt. Dort zwei Stück Pizza und zwei Flaschen Bier zum Abendessen gekauft. Die Kassiererin guckt mich blöd an, vermutlich ist das ihr Job.

Nebelig und kalt. Nachts wach weil kalt. Vermutlich verträgt mein Kreislauf Bier statt Wein nicht mehr.

26 Oktober 2003

Erdwärme

Die Tage vergehen im gleichmäßigen Fluss der Zeit. Aufstehen, duschen, anziehen, frühstücken (Müsli). Nasenbluten vermutlich wegen trockenen Schleimhäuten. Werde demnächst nachts ein Glas Wasser auf die Heizungen im Schlafzimmer stellen. Heute wird wieder gearbeitet. Für den ersten Absatz des 6. Kapitels brauche ich über eine Stunde. Da heute Sonntag, keine Chance auf etwas zu Essen in Castelfranco und daher die von Frühstück aufgesparten Croissant mit Marmelade zu Mittag. Dann gegen 13 Uhr Ausfahrt Richtung Plan di Sco, Reggello, Vallombrosa. Von dort Richtung Montemignaio und dann auf den Monte Secchieta. Hier Fahrt in dichtem Laubwald, der herbstlich braunrot und auch knallgelb gefärbt ist. Zu Nadelwald wechselnde Vegetation, dann immer schlichter (1450 Meter). Entlang des Bergkamms dann lange Strecke auf sehr schlechter Straße (Schotterpiste), die in der Karte in der drittbesten Kategorie eingezeichnet ist. Hier hatte ich teilweise Angst um den Mercedes. Langsame, daher lange Fahrt, bis ich mich schliesslich über Quota in Richtung Poppi auf festen Boden retten kann. Das Auto hat seine Ladung abbekommen und fängt innen hier und da an zu quietschen. Jetzt schon gegen 17 Uhr und es wird dunkel. Fahrt zurück über die Haupt-Landstrasse in Richtung Florenz. Diese führt über einen Pass in 1000 Meter Höhe. Sollte der mal geschlossen sein, ist der Raum östlich Florenz von Florenz praktisch abgeschlossen. Winkelige, aber gut ausgebaute Strecke mit viel Verkehr. Vor Florenz in Richtung Süden über Incisa und Figline Valdarno zurück nach Hause. Ankunft im Dunkeln.

Ankunft im Dunkeln. Das Valdarno bei Nacht.

Ziemlich anstrengende Tour ohne wirkliche Höhepunkte, das muß nicht wiederholt werden. Die Gegend östlich und nordöstlich des Bergzuges östlich des Arnos hat mit der Toskana nichts mehr zu tun, gebirgig und dicht bewaldet. Dann zum Abendessen mit Röhrennudeln in Tomaten-Sahnesauce, wiederum sehr zur Freude des signore. Dann Schnitzel mit Salat (hatten wir schon mal) und ein Stück flachen Obstkuchens, typisch toskanisch mit den für diese Zeit passenden Blaubeeren (oder waren es Heidelbeeren?). Ich werde wie immer genötigt, mehr zu essen als ich sollte. Die Küche der signora ebenso hervorragend. Das Feuerwerk am gestrigen Abend in Castelfranco galt den zu Besuch weilenden Gästen einer Städtepartnerschaft aus Frankreich. La signora hält sich da raus, es würde für sie sowieso nur bedeuten, Gäste unterzubringen, und das macht sie schon das ganze Jahr über. Die Anlage hat, wie jedes Haus in "La Lama", keine Wasserversorgung sondern einen eigenen Brunnen. Das Wasser wird regelmässig chemisch und bakteriologisch untersucht und ist, so il signore, "ein Glücksfall" für das Haus. Diskussion über den Wunsch, "La Casella" so autark wie möglich zu machen. La signora hat im Fernsehen einen Bericht über Erdwäremnutzung gesehen. Da ihr Gesicht noch einige Fragezeichen enthält, erkläre ich das System grob. Gefällt beiden sehr, nur schätze ich den Preis für eine solche Anlage auf ca. 100.000 Euro. Dafür fallen keine laufenden Kosten mehr an. Gefällt ihnen immer noch und sie fordern mich auf, als Ingenieur sowas in Italien zu verkaufen. Meines Wissens gibt es in Deutschland Pilotanlagen. Solarenergie ist ebenfalls interessant, aber nicht ständig verfügbar und ausserdem empfindet la signora die Solarpanele als nicht ästhetisch. Spät zurück gegen 22:30 Uhr, dann noch etwas gelesen. Im Gaddis Seite 518 erreicht.

25 Oktober 2003

Zeitumstellung

Früh wach, da sehr kalt. Draussen wolkenlos, im Tal liegt dichter Nebel über Figline, Castelfranco schaut eben heraus. Nicht kalt sondern KALT, auch in der Wohnung. Stelle den Heizungsregler von 20 Grad auf den Strich mit dem Atompilzzeichen und den Boiler von 5 auf MAX. Dann sonniger Morgen, recht weisses Licht.

Blick von der Veranda, mal im Sonnenschein

Habe kein Müsli mehr, also heute wieder eingetütete Croissants mit Marmelade. Nach dem Frühstück samstägliches Ausspannen mit Lesen bis mittags. Nachdem sich der Nebel im Tal verzogen hat mache ich mich gegen 13 Uhr auf den Weg nach Figline Valdarno (zu teuer tanken an Automatentankstelle, um das Pflanzenöl ob der niedrigen Temperaturen etwas zu verdünnen).

Dann zum Supermarkt in Figline Valdarno, wo die Hölle los ist. Alle kaufen für das Wochenende ein. Ich erstehe zwei Tüten Müsli und zwei Flaschen Bier. An der Kasse verhalten sich die Italiener anders als im Strassenverkehr, bezahlen tut keine Not, immer langsam. Erstmal mit den Leuten an den anderen Kassen quatschen. Natürlich erwische ich einen Kassiererinnenwechsel, natürlich hat die neue dicke Kassiererin den richtigen Schlüssel nicht dabei. Währenddessen parkt mein Auto quer auf der Strasse, aber es stört keinen. Dann zunächst auf der Hauptverbindungsstrasse Richtung Greve, vorher jedoch südlich ab Richtung Lucolena (Strassenkategorie 3), dann westlich Richtung Cannonica/Greve (Strassenkategorie 2) auf Sandpiste. Abstecher zum Monte S. Michele (Strassenkategorie 2, also Sandpiste).

Bei Lucolena

Die weitere Strasse der Kategorie 1 führt als Trampelpfad durch den Wald und verbietet sich für einen Mercedes. Zurück und weiter über die Sandpiste Richtung Greve. Von dort über die Hauptstrasse Richtung Siena bis Panzano, dann östlich auf Sandpisten Richtung Volpaia. Dieses ein winziges Kaff, aber mit touristischem Einschlag. Hier treffe ich auf viele Wanderer. Im Wald entweder pilzesuchende Italiener oder Jäger mit Hunden. Touristisch stark erschlossene Gegend, überall Wegweiser zu Fattorien oder Pensionen. Die Hinweisschilder an der Strasse sind zunächst deutsch, dann englisch, dann italienisch (Wein und Öl). Vor Villa Richtung Nordosten über Bugialla und Albola, dann Massa zurück nach San Giovanni Valdarno. Fahrzeit insgesamt etwa vier Stunden. Abends noch ein bisschen gelesen, dann zum Abendessen (muschenförmige Nudeln mit sehr weich gekochtem Blumenkohl in Öl und mit viel Knoblauch, dann kleingehacktes Gemüse zu Röllchen geformt und dünne panierte Kalbsschnitzel, dann ein Stück flachen harten "Fladen" mit Marmelade gefüllt). Dazu Unterhaltung über Berlusconi und seine norditalienischen Freunde. Berlusconi hat sich mit Hilfe von Sizilien an die Macht gekauft, weil dort die Mafia dafür gesorgt hat, dass alle ihn wählen. Zustimmungsrate für ihn in der Toskana wird auf 50/50 geschätzt. Meine Gastgeber haben erkennbar nichts für ihn über. Betrachtungen über gesellschaftspolitische Probleme (in Italien und in Deutschland gleich: zunächst Arbeitslosigkeit, dann Gesellschaftsversicherungen). Il signore bezieht eine Rente von etwa 500 Euro monatlich. Dann Übergang zu der Abgeschiedenheit der Ferienwohnung hier. Mich überrascht immer wieder die Ruhe, wenn ich aus der Tür trete. La signora glaubt das gerne, es geht ihr aber auch ein wenig auf den Geist weil sie, Italienierin die sie ist, Trubel um sich braucht. Ich bemerkt überrascht, daß ich in einer Stadt mit 600TAUSEND Einwohnern lebe. Hier an der Strasse wohnen vielleicht 20. La signora hat Rückenschmerzen. Gegen 9 Uhr zurück in die Wohnung und noch gelesen bis 23 Uhr. Nachts wieder kalt, aber Heizung läuft durch. Um Mitternacht Feuerwerk in Castelfranco, was toll zu sehen ist, da das Dorf ausgebreitet vor meiner Veranda liegt. Zeitumstellung.

24 Oktober 2003

I gatti strani

Morgens draußen nur teilweise bedeckt. Die Sonne bescheint Castelfranco im Tal vor dem Haus und nötigt mich, in Jacke das Frühstück auf der Terrasse einzunehmen. Rundum wird mit Holz geheizt oder die Olivenhaine eingeräuchert, so daß immer Rauchgeruch in der Luft liegt. Nach einiger Zeit muß ich aber wieder rein, weil es einfach zu kalt ist. Wenn sich das Wetter hält, heute wieder Ausflug. Ich würde auch das abendliche Ritual einmal durchbrechen wollen, um keine allzu grosse Gewohnheit aufkommen zu lassen. In Montevarchi im coop kann man grosse Pizzastücke zum Mitnehmen kaufen, allerdings habe ich keinen Backofen zum Aufwärmen (aber einen Herd und eine Pfanne). Frühstück bis 10, dann arbeiten. Gegen Mittag etwas Regen, dann im Tal schnell aufziehender Nebel, dann Gewitter mit Blitzschlag in die toskanischen Berge, dabei draussen kalt und regnerisch ("keiner wankt, der Regen prasselt unaufhörlich im ...stadion in Bern..."). Drinnen umschwirren mich Fliegen, dafür ist da es nicht kalt und regnet auch nicht. Trotzdem kalte Finger, vermutlich wenig angeregter Kreislauf durch eher statische Arbeit. Hübsch anzusehen, wenn im Tal die Sonne scheint und es vor dem Fenster aber regnet. Zufriedenheit mit dem Arbeitsfortschritt mässig. Heute das 5. Kapitel zu Ende durchgesehen. Kapitel 6 wird anspruchsvoll und muss noch stark überarbeitet werden. Das sollte Morgen und übermorgen zu schaffen sein. Danach geht es ans Erschaffen neuer Worte, Sätze und Absätze. Gegen 14 Uhr Aufbruch Richtung Montevarchi, dort ist der grösste Supermarkt der Gegend geschlossen. Also in die verlassene Altstadt. Hier alle Läden zu, kaum ein Mensch auf der Strasse. Ein Panino und einen Cappuccino in der Bar Unione Nuove, dann lustlos herumgestreunert. Die Geschäfte machen um 16 Uhr wieder auf. Da noch Zeit wieder ins Auto und Richtung Arezzo. Kurz hinter Montevarchi Richtung Westen ab nach Caposelvi (Dorf liegt schon an der Bergkette, schöner Aufstieg in engen Serpentinen), dann Mercatale Valdarno, dann Nuseanna, dann Richtung Norden durch den Wald auf unbefestigter Strasse Richtung Starda, Ucerano, Moncioni. Hier Mischwald mit Laub- und Nadelbäumen, nicht die journalkompatible karge Landschaft mit Zypressen. Sehr enge sandige Strasse, die sich an den Berghängen entlangwindet. Einzelne Italiener haben an der Strasse geparkt und suchen nach Kastanien oder Pilzen. Dies scheint üblich zu sein, denn viele Abhänge, die seitlich der Strasse schroff abfallen, sind mit neuem Warnband und Schildern versehen. In Starda lauter verschlossene Ferienwohnungen, kein Mensch lebt dort von Herbst bis Frühjahr. Das versprochene mittelalterliche Schloss war auch abgereist. Dafür sehr schöner Ausblick in ein ruhiges Tal. Irgendwo knattert aber immer ein Dreirad entlang. In einem der Dörfer am Ende der Toskana schliesslich ein deutsches Auto. In der offiziellen Karte der Gegend Arezzo ist die Sandpiste als drittschlechteste Strassenkategorie eingezeichnet. Ich werde morgen mal die beiden niedrigeren probieren.

Die Runde führt mich gegen 18 Uhr zurück nach Montevarchi, wo mittlerweile die Flaniermeile bevölkert ist. Die Geschäfte sind alle offen und das junge Stadtvolk kauft ein. Schöne Läden mit viel Mühe gestaltet, viel Mode und Inneneinrichtung. Die männliche Jugend stürmt einen Laden für Computerspiele. Auch relativ viele Take-Away-Imbissläden (Pizza etc). Ich fahre zum mittags geschlossenen Supermarkt, um endlich die Pizza zu kaufen. Supermarkt noch immer geschlossen. Also etwas unglücklich ob des bevorstehenden Hungers (hatte mittags für das Abendessen abgesagt) Richtung San Giovanni nach Hause. In San Giovanni grosser Supermarkt, auch zu. Im Zentrum aber ein kleiner Pizzaladen. Dort kann man keine Pizza von der Karte bestellen sondern nimmt, was leckeres in der Auslage eben ausliegt. Zwei Stücke (Funghi und Tomate/Mozarella) zum Mitnehmen eingepackt und zurück nach Hause.

Auf dem Weg strahlt die im Westen untergehende Sonne die östlich des Arnotals liegende Bergkette, in der auch die Ferienwohnung liegt, dunkelbraun-violett an. Muss ich unbedingt morgen mal photographieren (gegen 18:10 Uhr). Beschleunigter Ritt nach Hause, um den Sonnenuntergang hinter der Bergkette westlich des Arnotals noch zu sehen. Leider einige Minuten zu spät. Abendessen in der Wohnung, wobei ich lesenderweise ein Pizzastück verschmurgele und die Wohnung in Rauch hülle. Dazu eine "Birra Italiana Peroni" in der säuferfreundlichen 0,66-Liter-Flasche (süsslicher Geschmack, kein Hopfen, kein Malz, macht schiggerig, 3/10 Punkte). Selbst das in Montevarchi mitgenommene kostenlose Anzeigenblättchen (Mercedes-Oldtimer!) ist in Plastik eingeschweißt, typisch italienisch. Bis 22:30 Uhr an Gaddis gelesen, dann ins Bett. Wolkenloser Nachthimmel.

23 Oktober 2003

Il panino caro

Aufgewacht vom Klappern des Frühstücks gegen 8:45 Uhr. Zu gerne würde ich mich morgens auch mal dafür bedanken, aber ich liege immer noch im Bett. Dusche heute morgen abwechselnd sehr heiss und kalt, hat sich aber gefangen. Draussen nebelig und trocken, nur einzelne Sonnenflecken lassen sich blicken, ziemlich windig, viel Vogelgesang. Frühstück wie immer mit Müsli, eingetüteten Croissants die mir auf den Wecker zu gehen beginnen und einem Stück süssen Kuchen (mit dem ich keine Probleme habe). Geplant für heute: arbeiten bis zum frühen Nachmittag, dann bei schönem Wetter Besichtigungstour Richtung Siena. Auf einer Landkarte habe ich noch einen zweiten Ort gefunden, wo wir 1992 bei der Toskanawanderung vermutlich übernachtet haben. Liegt ähnlich abseits wie der erste. Werde mal nachsehen fahren. Ab Mittag aber leider Regen und deutlich kälter. Trotzdem gegen 13:00 Uhr aufgebrochen Richtung Greve in Chianti, dabei sehr starker böiger Regen. Weitergefahren nach Siena, dort nicht gerade sonnig, aber prima. Die Fahrt nach Siena dauert durch die Toskana nahezu zwei Stunden, da es eine Bergkette zu erklimmen gilt und die Straßen doppelt so lang wie Luftlinie sind. In Siena etwas ausserhalb geparkt, deshalb nochmal 20 Minuten zu Fuß ins Zentrum. Dort ist noch alles da. Einmal den Marktplatz umrundet, dann einen Abstecher zum Dom. Anschliessend etwas in den verwinkelten Sträßchen herumgelaufen.

Innerhalb des Stadtkerns sehr viele Touristen und die entsprechenden Läden dazu. Eine Einkaufsstrasse verläuft vom Zentrum Richtung Stadtrand (Fussgängerzone), dort ist man schnell nur noch unter Italienern. Sie und die Touristen, selbst die jüngeren, lassen sich äusserlich deutlich unterscheiden. Eine deutsche Familie bereitet sich mit den Worten "Fragen wir den doch mal" vor und wendet sich auf Italienisch wegen einer Kirche an mich. Ich antworte ihnen ehrlich ebenso auf Italienisch (keine Ahnung). Internet-Cafe gefunden, dort kurz eMails abgefragt. Mitteilung aus Aachen, dass sich Anreise von Vater um einen Tag verschiebt. Als die Computerzeit um ist habe ich das Datum schon wieder vergessen. Nachmittags dann von Siena aus in Richtung Montevarchi über eine sehr schöne, trockene, verwinkelte Strasse ohne viel Verkehr. Verfolge dabei lange ein sehr engagiert gefahrenes Vespa-Dreirad. Dass die Motoren sowas überhaupt aushalten! In Montevarchi bei LIDL 45 Liter Pflanzenöl für 0,65 pro Flasche gekauft und ein paar Liter in den Tank gefüllt. Niedliche, aber überaus gestresste Kassiererin. Im Dunkeln zurück gegen 19:15 Uhr. Die signora ist von ihren Rückentabletten etwas angehauen. Es gibt als Vorspeise muschelförmige Nudeln in einer Öl-Tomaten-Sauce, dann dünne dunkle Rindfleischscheiben in Olivenöl und kalten Spinat. Ich werde sehr bedrängt, massenweise davon zu essen, es schmeckt aber auch sehr gut. Zum Nachtisch eine kleine Schale Eis, zu der il signore Zitronenschnaps verlangt. Erzählung über den Stand der Dinge in Siena. Il signore kann nachvollziehen, dass die Touristen mich nach dem Weg gefragt haben, er hätte mich auch zunächst für einen Italiener gehalten (bis ich den Mund aufmache). Ich erzähle ein bisschen von der Italien-Deutschland-Ausstellung im Ruhrgebiet über Gastarbeiter und Ferienreisende in den 60ern.

Zeche Hannover: "Neapel - Bochum - Rimini. Arbeiten in Deutschland. Urlaub in Italien"

Erzählung über englische Gäste, die tagsüber nichts als Bier und abends nichts als Wein darauf getrunken hätten und andere Engländer, die beim Anblick einer deutschen Familie ihre Reiseagentur angerufen hätten, um sofort die Reise zu beenden. Dann genaue Aufklärung darüber, wann man in Italien einen Cappuccino trinken darf. Da er mit Milch gemacht wird, ersetzt er sozusagen ein Essen. D.h. kleines Frühstück mit einem Hörnchen und dazu einen Cappuccino ja. Wenn keine Zeit zum Mittagessen ein Panino und dazu einen Cappuccino ja. Abends ginge es auch. Aber nach einem ausführlichen Essen, egal ob mittags oder abends, nehmen die Italiener "tutti alcoholi" (es geht also alles) oder Kaffee oder Espresso, aber niemals etwas mit Milch. Nachmittags ist ein Agent des deutschen "Mercedes"-Magazins bei der signora aufgetaucht und wollte für eine Beilage in seinem Magazin einen Kurzbericht über die Wohnanlage anbieten. Abgelehnt, weil sie Probleme mit Direktkontakt zu Kunden hat (wollen am Telefon in deutsch über den Preis verhandeln) und weil der Agent 2500 Euro für die Erwähnung haben wollte. Diskussion unter uns über die typischen Leser der Zeitung (ich sicher nicht, obwohl ich sie auch bekomme). Zurück ins Haus gegen 21:45 Uhr, dann mutig die ersten 32 Seiten (immerhin 2,6 Prozent!) von Gaddis angegangen. Eingeschlafen gegen 23 Uhr. Nachts warm und nicht verwickelte Decke, deshalb nicht nachts wach sondern schon um 7:30 aufgewacht.

22 Oktober 2003

Vino per un mondo piu roseo

Heute ist Mittwoch und deshalb haben die Supermärkte nachmittags zu. Aufgewacht schon gegen 7:30 Uhr (der alte Rhythmus: spät ins Bett und nach recht wenig Schlaf recht früh wieder raus - muss dringend unterbrochen werden, das hier ist Urlaub). Keine Allergieanwandlungen. Frühstück um 9:30 Uhr, dann an der Doktorarbeit gearbeitet. Rückblickend war die Reisevorbereitung hervorragend, das Einzige was ich vergessen habe war Seife und sowas gibt es ja auch im Supermarkt (sogar mit Champagnergeruch). Ansonsten ist alles da. Gewöhnen muß ich mich erst daran, daß ich morgens ein Fenster aufmache und es draussen völlig still ist. Kein Hintergrundrauschen wie in der Stadt. Allerdings hat sich die Erfindung der Motorsäge auch bis hierhin rumgesprochen. Morgens Telefonat aus Aachen, dass Vaddern am 2. November per Hapag Lloyd für 69 Euro nach Pisa kommen möchte. Rücksprache mit der signora, alles kein Problem. Flüge von Italien nach Deutschland kosten allerdings hier gebucht mehr als 300 Euro. Kurzer Anruf vom Handy daß das geht, weitere Kommunikation aber besser und billiger per Internet. Anrufe aus Deutschland kosten 3 Cent pro Minute. Mit ständiger Stromversorgung schaltet unter Linux der Laptop auch nicht ab. Ist aber nicht so gut für die neue billige Batterie von eBay von "Any Batteries" aus China, die fehlerfrei funktioniert. Die Katze vom Nachbarhaus begegnet mir kurz, ist aber eher an Olivenhaine gewöhnt als an streichelnde deutsche Touristen und deshalb scheu. Immerhin lässt sie die hier überall herumlaufenden Hühner vom Nachbarhaus in Ruhe. Später gesellt sich eine zweite, ähnlich scheue Katze hinzu (Beschreibung der signora für die beiden Katzen: "gatti antipatici"). Gegen 12:30 Uhr zum Mittagessen und auf der Suche nach einem Internetcafe von einer Liste, die ich in Florenz bekommen habe, nach Figline Valdarno und dann Richtung Montevarchi. Dort ein Panino und einen Cappuccino, aber die gesuchte "Union Bar" ist den Einheimischen kein Begriff.

Während ich den Cappuccino trinke kommt ein älterer Italiener aus dem Fernsehzimmer der Bar und bestellt einen Rotwein. Er kriegt ein Glas, das er in einem Zug austrinkt. Dafür muss er 50 Cent bezahlen, was der junge Kellner der übrigen Kundschaft sehr deutlich macht. Das sind noch Preise! Die Supermärkte sind tatsächlich alle zu, inklusive dem LIDL auf der Jagd nach Pflanzenöl. Zweiter Versuch in Loro Ciuffenna, einer kleinen sehr verwinkelten Stadt an einem Berghang. Dort hat zwar das "Caffe Centrale" auf, ist aber kein Internet-Cafe mehr. Italiener scheinen nicht viel Wert auf Aktualität ihrer Listen zu legen. In der Nähe sind dann noch zwei Internet-Cafes in Greve und zwei in Siena, die es vermutlich auch nicht gibt. Insgesamt also erfolgloser Nachmittag. Leichte Kopfschmerzen. Zurück gegen 15:30 Uhr, dann Arbeit an der Arbeit. Insgesamt unzufrieden mit dem Fortschitt. Abends wieder zur Familie, die Schwiegertochter kommt hinzu und läßt sich mühsam überreden, auch eine Kleinigkeit mit zu essen. Sie arbeitet in einem Klamottenladen oder einer Kleiderfabrik in Montevarchi, kennt aber die "Union Bar" auch nicht. Als Vorspeise serviert die etwas gestresste signora, die nicht ganz auf dem Damm zu sein scheint, ein sehr gutes Risotto, was besonders ihrem Mann überaus gefällt. Wegen des trockenen Jahres leider keine selbstgesuchten Pilze im Risotto. Danach paniertes Geflügel in kleinen Stücken mit gerollten Gemüse"rouladen" in Tomatenmark gebacken. Anschließend die Überreste des Kuchens, den Freunde von Sohn und Schwiegertocher am Vorabend zum Fernsehgucken mitgebracht haben. Dazu wie immer leckerer Rotwein. Die signora kocht sehr gut und behauptet, dabei nur ökologische Zutaten zu verwenden. Sie und ihr Mann sind was essen angeht verwöhnt und erzählen von seinem letzten Geburtstag, zu dem sie mit Sohn und Schwiegertochter einen Tisch in einem besonders guten Restaurant in der Nähe gebucht hatten. Sie hätten alle vier nichts von dem essen wollen, was sie serviert bekamen. Ein früher Rückzug schien mir heute angebracht, daher schon gegen 9 Uhr die paar Schritte zurück bei leichtem Regen. Noch etwas gelesen und gegen 10 Uhr ins Bett. Zur Vorbereitung zu Gaddis "Fälschung der Welt" zwei Rezensionen gelesen, Buch dann doch zu dick um noch anzufangen.

Nachts wach weil Kopfschmerzen und allgemein etwas unklares Befinden und trockener Hals, da ich die Heizung durchlaufen lassen muss. Ich komme mit den italienischen Bettdecken nicht zurecht, die aus einer Wolldecke mit lose darumgeschlagenem Bettbezug bestehen und die ich nachts in Teile zerlege und in alle Richtungen zerstreue. Irgendwann wache ich dann mit der Wolldecke im Gesicht auf und muß nießen.

21 Oktober 2003

Il biglietto andata e ritorno

Aufgestanden gegen 8:45 Uhr, Frühstück um 10. Hatte gestern "müsli" gekauft und la signora hat etwas Milch zum Frühstück gebracht. Draussen wolkenverhangen und feucht und immer wieder mit kurzen Regenschauern.

Wolkenseen

Gegen 11:15 Uhr Aufbruch mit dem Auto nach Figline, dort der Parkplatz am Bahnhof völlig voll. Als ein Zug ankommt fahren ein paar Fahrgäste weg und ich finde einen Platz. Den etwas verspäteten Direktbummelzug nach Florenz genommen.

Die Strecke windet sich immer am Arno entlang und führt durch sehr schöne Landschaft. Hin- und Rückfahrkarte kosten zusammen knapp 7 Euro. In Florenz am Bahnhof ein Internetcafe, dort Kontakt aufgenommen zu den Eltern und zu Enzo wegen des Auspuffs.

Italienische Tastaturen haben das z auf dem y (und umgekehrt) und eine schmale Return-Taste, dadurch zunächst etwas zeitaufwendig. Das Internetcafe gehört einer Kette an, die auch in zwei hier relativ eng benachbarten Orten (ca. 10 Kilometer) jeweils ein kleines Cafe unterhalten. Dann Stadtbummel. Mittlerweile scheint die Sonne und es wird richtig warm. Ein Panino vor dem Dom gegessen.

Dann wahllos herumgelaufen (Palazzo Vecchio, Ponte Vecchio) und im Studentenviertel geendet. Dort einen Cappuccino auf der Strasse.

Sehr viele Touristen, hauptsächlich junge Menschen. Extrem chaotische Stadt, laut und stickig. Offenbar sehe ich mit Hemd, Pullover und Mappe wie ein Italiener aus und werde von den herumlungernden Touristenabzockern (Bilder! Handtaschen! Gürtel!) verschont. Überall Busse und Motorroller, leider kaum alte Vespas. Auf dem Rückweg am Palazzo Medici Riccardi vorbei und für 4 Euro Eintritt die Capella dei Magi besichtigt. Der Palazzo wird gerade äußerlich renoviert und ist eingerüstet. Typisch italienisch ist das Hinweisschild auf den Eingang hinter dem Gerüst. Dafür war es drinnen leer. Die Kapelle ist ein recht kleiner Raum mit ornamental verzierter Decke, einem Altarbild aus Öl (mit Darstellung von Gott) und rundum mit dem Zug der drei heiligen Könige überaus üppig bemalten Wänden voller Menschen, Tiere und Pflanzen.

Kurz in den Dom (umsonst), dann zurück zum Bahnhof und 16:25 wieder mit einem Bummelzug nach Figline V. Dort ist das Auto noch da und der Stern noch dran. Zurück im Ferienhaus gegen 18 Uhr. Die Sonne scheint durch einzelne Wolkenlücken hindurch und beleuchtet malerisch ein paar Flecken auf den grün-braunen Berghängen. Bis in die Wohnung reicht die Sonne leider nicht. Um 18:15 Uhr ist es drinnen so dunkel, dass ich die Tasten am Computer nicht mehr erkennen kann. Bei dem Fahrpreis muss man nicht ganz Florenz in einem Tag erschlagen. Ich komme wieder! Abends im Kreise der Familie als Vorspeise Röhrennudeln in Tomatensauce, dann gebratene längliche Fleischrollen mit in Öl eingelegten Tomatenscheiben als Beilage und schliesslich ein Stück noch ziemlich gefrorener Kuchen (vielleicht muss das so?). Ich habe der signora nochmal versichert, wie gut mir Ihre Küche schmeckt, aber dass sie für mich nicht so viel zu kochen braucht. Gespräch über den Tag in Florenz und Florenz im Allgemeinen (sie fahren höchstens fünfmal im Jahr da hin weil zu stressig), über die neue kleine Katze des Sohnes (Leon, il piccolo gatto), über den Schutzinstinkt deutscher Schäferhunde wie dem draussen im Olivenhain und über sonderbare Verhaltensweisen der Gäste, besonders der deutschen. Nachdem wir den Rotwein ausgetrunken haben gehen wir zu einem Weisswein über, der auch aus der Toskana stammt und vom gleichen Weingut wie der Rotwein. Die Produktionskosten der Ölherstellung bekomme ich recht eindringlich erläutert. Nach meiner Erinnerung kostet das billige Olivenöl "extra vergine" im Supermarkt in Deutschland etwa 4 Euro. Dies erntet völliges Unverständnis. Das Öl der Familie wird in unetikettierten Flaschen durch Hörensagen verkauft und kostet etwa 10 Euro pro Liter. Sie produzieren je nach Witterung zwischen 2000 und 10000 Liter im Jahr. Bis 11 Uhr mehr ein Monolog der signora als ein Dialog über renitente (deutsche!) Gäste, mit denen mittlerweile zweijährige Anwaltsstreitigkeiten stattfinden. Dieses Jahr seien die Gäste aber sehr zuvorkommend gewesen. Es geht immer um das gleiche Grundthema: billig buchen, kostenlos mehr haben wollen (ein anderes Zimmer, ein grösseres Zimmer, ein zusätzliches Zimmer). Der Ehemann verabschiedet sich müde ins Bett und ich mache mich auch auf den Weg. Noch etwas Lesen, gegen 11:30 Uhr ins Bett.

20 Oktober 2003

I bar chiusi

Aufgestanden gegen 8:30, Frühstück steht vor der Tür. Tee in neuer Thermoskanne ohne Kaffeegeschmack. Da kein Telefon in der Wohnung per SMS Arne gebeten, Internetcafes in Florenz herauszusuchen und Enzo wegen Auspuffersatz angefragt. Bedeckter Himmel und teilweise starke Regengüsse. In der Wohnung jetzt wärmer, draußen auch. Gegen 10 angefangen, Doktorarbeit zu überarbeiten. Arbeitsvorgabe: Arbeit nach Notizen komplett durcharbeiten, dann fehlende Kapitel hinzufügen (Zusammenfassung und Einleitung). Einlesen in Themengebiete (Literatur) wie erforderlich. Laptop friert beim Stromsparen unter Linux ein. Während des Regens deutliche Spannungsschwankungen am Licht zu erkennen. Adapter für Stromstecker hatte ich schon Sonntag von la signora besorgt, dort ist allerdings der mittlere Schutzkontakt abgebrochen! Laptop ab jetzt ständig am Netz betreiben oder mehr tippen, damit sich die Stromsparfunktion nicht einschaltet. Mittags Ausflug zum Einkaufen nach Figline Valdarno, dem nächstgrossen Städtchen mit Supermarkt (coop). Dort Käse und Wurst nur fertig abgepackt, allerdings ständig neu mit Geräten hinter der Theke. Fischtheke mit Frau in Gummistiefeln und Blut am Kittel. Ansonsten grosse Auswahl, vor Allem an Süsskram. Theke mit vorbereiteten, kalten Kleinigkeiten (Lasagne etc). Ein italienischer Einkauf geht dort immer mit der ausführlichen Darstellung wenigstens des Befindens, vielleicht auch der Lebensgeschichte einher. Alle Preise sind in Euro und Lira ausgeschildert. Kleiner Tumult an der Kasse, da ich vergessen hatte, die Birnen auszuwiegen. Zumindest das Hör-Italienisch reicht auch für solche Fälle. Ein Adapterstecker mit Schutzkontakt für die deutschen Stecker und die italienischen Steckdosen sah gut aus (gekauft), passt aber gerade eben nicht.

Ansonsten ist Figline Valdarno ein Strassendorf ohne Eigenschaften, allerdings mit jede Menge Autohändlern. Bei einem steht ein weisses Mercedes G-Modell, dessen Preis ich nochmal nachschauen muss. An Tankstellen gibt es genau zwei Sorten Kraftstoff, Diesel und Super Plus. Es regnet nahezu ständig, auch mit Sonnenschein, dann schwül und warm. Alle Bars sind zu ausser einer am Bahnhof. Dort erstand ich ein abgepacktes Panino und einen Cappuchino zu 0,90. Züge von dort nach Florenz brauchen etwa 25 Minuten und gehen ungefähr jede Stunde. Scheinbar gibt es jedoch am Bahnhof keinerlei Parkplätze. Zurück nach Lama und das beim coop gekaufte Pflanzenöl (0,69 aus Literflaschen, 3 Liter für 3,05 zu teuer) ins Auto geschüttet. Sicht klarer, aber immer wieder Regen. Doktorarbeit am Nachmittag. Mittagessen bleibt ein Problem (Beschaffung!), wenngleich in der Strasse zum Bahnhof Schüler mit Baguettes herumliefen. Den Laden finde ich aber auch noch. Am Nachmittag und frühen Abend sehr starke Regengüsse mit Gewitter, dadurch immer wieder kurze Stromausfälle. Sicherheitshalber habe ich den Laptop vom Stromnetz getrennt. Fortschritte in der Doktorarbeit langsam, aber es kommt keine Langeweile auf. Das Abendessen wieder zu Dritt, da die Gruppe bereits abgereist ist. Die neue nuora steht daneben und guckt italienisches "Wer wird Millionär", wird aber vom suocero eines Besseren belehrt (interessiert ihn nicht). Vorspeise in Brühe gekochte und servierte Tortellini (kommt Parmesan drauf), dann kleine zarte Fleischstücke am Knochen mit kalten Bohnen, zu denen Essig und Öl gereicht wird. Dann ein Stück Kuchen. Sehr lecker und wird als typisch toskanisch dargestellt. Ich bekomme Sonderbehandlung, weil für grosse Gruppen im Sommer solche Leckereien nicht machbar seien. Vor dem Abendessen hatte ich eine Stunde Italienisch gelernt, nicht nach Buch sondern was gerade zur abendlichen Unterhaltung mit der Familie notwendig ist. Am Esstisch dann viel geredet über unkommunikative Italiener, die anstehende Olivenernte, Gepflogenheiten beim Zugfahren und Vermittlungsagenturen für Ferienwohnungen. Am Bahnhof gibt es doch Parkplätze, jede Menge und sogar umsonst. Da typischerweise kein Schild weit und breit angebracht wurde, bekomme ich den Weg genau erklärt. Gegen 9 ins Haus zurück, dort nicht mehr viel gemacht sondern gegen 9:30 Uhr ins Bett. Etwa 50 Seiten in Mary McCarthys "Florenz" gelesen. Leichte Allergieanwandlungen. Nachts wach weil kalt, etwas Allergie und insgesamt indifferentes Befinden.

19 Oktober 2003

Il frigorifero rumoroso

Aufgestanden gegen 8:30 Uhr. La signora bringt Tee, eingetütete "Brioches" und etwas süßen Kuchen und zwei Sorten Marmelade vor die Tür. Tee in Thermoskanne schmeckt nach Kaffee, aber Italienisch gut genug um das zu kommunizieren (sapere di). Heute kein Nebel mehr sondern Sonnenschein. Prachtvoller Blick von der Terrasse auf das im Tal liegende Castelfranco. Gelände der "La Casella" besichtigt, umfangreiches und auf viele Gäste (30) angelegtes Anwesen. Etwas Vorbereitung auf die Toskana (lesen) mit Blick auf das Tal in der Sonne. In der Wohnung immer noch kalt, draussen in der Sonne prima. Da kein Mittagessen gebucht, gegen 13 Uhr Aufbruch ins Dorf Castelfranco. Dort zwei kleine Bars, keine hatte was zu Essen. Vor der "Bar Touriste" steigt ein deutsches Endvierziger-Pärchen in einen Geländewagen und freut sich, dass man von der Bar aus "ihr" Haus sehen kann.

Ein Rundgang durch das Dorf fördert auch eine schneeweiße Katze hervor, die sich extra statuettenhaft auf einen Vorplatz gesetzt hat, um Touristen und andere Nervensägen arrogant-gönnerhaft anzuschauen. Mit dem Auto weiter Richtung Arezzo, auf dem Weg in einer Bar ein Panino gekauft. In Arezzo nicht angehalten sondern direkt wieder weiter Richtung NW (Strassenausschilderung Florenz/Autobahn). Dann in das Chiantigebiet rein auf den größeren Hauptstraßen. Wenig Touristen unterwegs, hauptsächlich entweder irre oder sehr langsam fahrende Italiener. Fantastische kurvige Strassen mit oft sehr schönem "typischem" Ausblick. Plötzlicher Einbildung folgend vor Greve Abzweigung nach "Lemole" gefahren, zunehmend enge bis sehr enge Strasse ansteigend. Hinter Lemole wird es sehr einsam, es kommen aber Autos entgegen, muss also irgendwo hinführen. Asphaltierte Strasse endet, jetzt Sandpiste mit Auswaschungen und Rillen. Kein Problem für einen Mercedes, aber auch nicht für die geprügelten Fiats.

Kein Problem für einen Mercedes

An einer Kreuzung nach 15 Minuten Nichts ist Greve wieder ausgeschildert, ich bin einmal im Kreis gefahren. An dieser Einmündung ein verlassener Hof. Dort habe ich bei der Toskana-Wanderung 1991 mit den Mädels im Heu geschlafen.

1991 per Pedes

2003 per Mercedes

Weiterfahrt über Greve nach Figline Valdarno sehr flott, kurvig und lustig. Auto fährt prima ohne Auspuff und ist auch nicht sehr laut, nur der Kofferraumboden wird etwas warm. Antenne an Bäumen fast abgerissen, ist aber egal da teures CD-Radio sowieso zwecks Diebstahlschutz ausgebaut. Zurück gegen 18:30 Uhr. Abends ist eine Gruppe von vier weiteren Gästen, die teilweise Italienisch und tw. Englisch sprechen, angekommen. Daher Abendessen nicht in der Küche der Familie, sondern im eigens geöffneten "Restaurant". Grosser Raum mit vielen Tischen, davon ein kleiner Tisch für mich und ein Tisch für die Vier gedeckt. Sohn und Schwiegertochter helfen beim Servieren aus. Die Gäste sind ein relativ junges italienisches Paar, sie aufgedonnert er ungepflegt, dazu älteres Paar (Frau spricht englisch, Mann gar nicht). Italiener spricht sehr gut Englisch. Thema kreist um Hauskauf in der Toskana und um seinen Job. Kein Versuch, mit mir zu kommunizieren. La signora kommt hinzu und allgemeines Quatschen über Agritourisme und die damit verbundenen Kosten. Vorspeise ein Stück kalter, deftiger Kuchen, dann zwei runde grosse Ravioli mit Spinat gefüllt und Tomatenstücken belegt mit Öl, dann ein Schweineschnitzel mit grünem Salat, dann sehr süßer guter flacher Käsekuchen, dann dünn geschnittener harter Käse aus der Region mit Weissbrot. Die Produkte (Wein, Käse, Fleisch etc) stammen von einem ökologischen Vertrieb/Hof in der Nähe. Schon gegen 9:30 Uhr etwas angetrunken (ein ganzer Krug Wein) und gelangweilt ins Bett. Nachts wach weil Nase zu (Allergie?) und Kopfschmerzen. Allergie aber Fehlalarm, da morgens alles in Ordnung (sogar die Kopfschmerzen sind weg).

18 Oktober 2003

Il tubo di scappamento

Aufstehen um 7, Frühstück Baguette, Brötchen, Brot, Marmelade, NZZ. Befinden bestens. Alles wieder ins Auto geladen. Abfahrt gegen 8:45 Uhr. Als ich losfahre hält zwei Autos weiter vorne die Polizei und kontrolliert die Parkkarten.

Wetter kalt und nebelig aber trocken. Richtung Gotthard löst sich der Nebel sehr langsam auf. Aufstieg in die Alpen teilweise mit Sonnenschein. Wenig Verkehr, viele Deutsche. Teilweise sehr schöne Ausblicke. Gotthard problemlos, Aufstieg bei niedrigen Temperaturen und viel Last mit Pflanzenöl ohne Murren. Nach dem Tunnel zunehmend schöneres Wetter, Nebel löst sich auf. An der Grenze nach Italien trotz gammeligem Auto durchgewunken (sauberes Hemd und rasiert). Die Sonne zeigt sich auch - "finalmente in italia" und eine Begrüßungszigarette im Auto. Autobahn bis Milano mit zweimal Bezahlen (VISA). Autobahnring um Milano gut ausgebaut. Normaler Verkehr, chaotische Fahrer. Sehr gute Beschilderung auf die A1 nach Bologna. Hier Übergang ins andere Mautsystem, d.h. Karte ziehen. Hinter Milano Mittagsstop an einem Autogrill. Dort trabt sofort ein älterer Italiener an und will goldene Ketten verkaufen. Auto halbwegs leergeräumt und Baguette con pollo und den ersten Cappuccino genommen, leider etwas hastig da Bedenken ums Auto.

Alles noch da. Anschliessend volltanken lassen (0,895). Bei der Weiterfahrt beginnt es vor Reggio Emilia zu regnen. Kurz vor Florenz reißt an einer besonders hübschen Bodenwelle der Auspufftopf vom Auspuffrohr ab und klötert unter dem Auto herum. Nach einigen hundert Metern Tankstelle, dort Topf abgenommen, in den Kofferraum verladen und dabei Hose versaut. Ein Mercedes fährt auch ohne Auspuff. Es hörte glücklicherweise für diese fünf Minuten auf zu regnen. Dann grossen Stau hinter Florenz umgangen, da auf Landstrasse abgefahren (Maut total bis hier: 15 Euro irgendwas). Schnellstrasse Richtung Siena, immer noch im Regen und bei beginnender Dunkelheit. Dann über Nebenstrassen Richtung Figline Valdarno. Dort nachmittagliches Chaos, aber problemlos Strasse Richtung Castelfranco gefunden. Beschreibung in Fax von Italiareisen exakt. Hinter Castelfranco zunächst schmalere Strasse Richtung "La Lama", zwei Autos passen gut aneinander vorbei. Dann wiederum Abzweigung. Sehr enge Strasse mit blinden steilen Spitzkehren, in denen sogar beim Diesel die Antriebsräder durchdrehen, führt knapp drei Kilometer an einem Berghang entlang. Ziel erreicht bei 1250 Kilometern. Erster Eindruck des "Agritourisme La Cassella" sehr abgewrackt, ist aber ein anderes Haus.

Ansicht des Agritourisme La Cassella

Besitzerin, ältere lustige Dame, kommt mir schon entgegen. Sie spricht kein Englisch und ist sichtlich glücklich, daß ich ein bißchen Italienisch verstehe. Wohnung mit grossen Zimmern, Betten für 5 Personen. Sauber, etwas einfach eingerichtet. Leider kleine Fenster und daher ziemlich dunkel. Blick vom grossen Esstisch auf die wolkenverhangene Landschaft durch Terrassenmauer untenrum verstellt. Sehr ruhig, außer wenn die wenigen Autofahrer die Strassenbiegung hinter dem Haus anhupen. Heizung mit Gasboiler. Die Wohnung ist sehr kalt und die kleinen Heizkörper kommen nicht dagegen an, obwohl sie heiss werden. Eine Flasche Wein als Gastgeschenk steht etwas einsam auf dem Tisch. Draussen laufen Hühner und mindestens eine Katze herum. Abendessen mit Ehepaar um "sette trenta" in ihrer Küche im benachbart liegenden Wohnhaus. Sohn und frisch geheiratete Schwiegertochter wohnen in einem Extrahaus auf dem Gelände. Gastgeber sehr nett und bemüht, sprechen beide nur italienisch. Er flott, sie extra verständlich. Kommunikation gut. Toskanische Vorspeise (Röhrennudeln mit Öl-Hackfleischsauce), dann dünne Rindfleischscheiben mit Kartoffeln, dann Obst (Weintrauben vom eigenen Boden, allerdings werden die Trauben nicht zu Wein verarbeitet, da zu viel Arbeit). Angebaut werden Oliven. Einfacher, sehr leckerer Rotwein aus der Gegend. Gegen 10 Uhr ins Bett. Immer noch kalt in der Wohnung. Das Bett sind zwei Einzelbetten mit einzelnen Matratzen, zusammengestellt und mit einer grossen Decke. Ausreichend bequem, das wird gut gehen. Nachts wach weil kalt in der Bude.

17 Oktober 2003

Aufbruch und Anreise

Reisen ist Aufbrechen ohne Ziel, nur mit flüchtigem Blick umfängt man ein Dorf und ein Tal, und was man am meisten liebt, liebt man schon mit dem Schmerz des Abschieds. Annemarie Schwarzenbach, 1936
Aufbruch in Düsseldorf gegen 8:30 Uhr. Den grossen Koffer und einen Umzugskarton mit Ordnern für die Doktorarbeit hatte ich schon am Donnerstag abend ins Auto geladen. Tank des grünen 220D/W123 etwa 3/4 voll, davon viel Pflanzenöl. Temperatur am Freitag morgen nur knapp über 0 Grad. Reise über Köln (A1), dann A61 problemlos ohne Stau. Zwischenstop in Osthausen (oder so ähnlich), um bei einem Baustoffhändler Pflanzenöl (Raffinat, 70 Cent) zu tanken. Chaotisches unaufgeräumtes Wohn/Geschäftshaus im Spiessbürgeralptraum (geflieste Wohnung, nicht verputzte Fenstereinfassungen, Töle im Treppenhaus). Völlig übergewichtiger Jüngling betankt mein Auto aus einer sehr modernen, aber total verdreckten Zapfanlage. Nix wie weg hier. Weiterfahrt bei schönem Wetter auf die A5. Tankstop etwa 30 Kilometer vor der schweizer Grenze (Diesel 0,889). Direkt nach der Autobahnauffahrt dann kompletter Stillstand für etwa 15 Minuten. Ohne Probleme Einreise in die Schweiz. Erster Eindruck von der Schweiz ist der eines kleinen und daher völlig zugebauten Landes. Autobahnen und Eisenbahn quetschen sich dicht an dicht. Verkehr problemlos, kurz hinter Basel geht die Autobahn Richtung Gotthard/Luzern ab. Gegen 16:30 Uhr in Luzern, 650 Kilometer. Hotel "Goldener Stern", ein historisches Haus, sofort gefunden. Zimmer recht klein und sehr ordentlich. Ich trage den grossen Koffer und den Umzugskarton sicherheitshalber in den Getränkekeller des Hotels und stelle das Auto in einer 30-Minuten-Parkzone ab. Ist aber ohne Knöllchen über die Bühne gegangen. Dann Stadtbummel nach Luzern. Das Hotel liegt südlich des Flusses an der Grenze zur Altstadt, zwei Minuten zum Wasser. Zunächst kaum Touristen, was sich an den Brücken zur nördlichen Altstadt schlagartig ändert. In diesem Teil übliche Fussgängerzonen, sehr schöner Blick auf den Stadtteil südlich des Flusses. Messergeschäfte, Mode und Friseure dominieren. Neben den Touristen viele junge Leute und hübsche Mädchen. Keine Cafes, erst nach einigem Suchen finde ich ein "Starbucks". Da es recht kalt ist und ich meinen dicksten Mantel, eine dünne Sommerjacke, anhabe finanziere ich den Monopolisten und trinke einen Cappuccino, der nicht gut schmeckt. Der Cappuccino in Lulea schmeckte ähnlich. Wird also in Ordnung gewesen sein. Trockenes Wetter. Gegen 18:30 Uhr wurde es dunkel und ich zurück zum Hotel. Dort im Erdgeschoss ein einfaches Restaurant. Ich setze mich zunächst an einen kleinen Tisch vor der Bar statt ins Restaurant und trinke eine "Stange" (0,3 Bier in schlankem, nach oben leicht öffnenden Glas) zu 3,50 Fränkli. Hauptthema in der ausliegenden schweizer Regenbogenpresse: die Bierpreise. Keine Touristen sondern Schweizer im Lokal, obwohl Hotel ausgebucht. Alle sprechen echt Schweizerisch. Dort auch Abendessen, wenngleich teuer (guter Feldsalat und mittelmässiges Hirschpfeffer für zusammen 35 Franken). Ein paar Bier und gegen 22 Uhr ins Bett. Dort trotz zentraler Lage relativ ruhig aber zugig am Fenster. Deutsches Fernsehen.