Morgens über die Autobahn zum Flughafen in Bologna, den Fiat Panda wieder abgeben. 48 Stunden und 650 Kilometer. Espresso im Flughafen, dann mit dem Schnellbus nach Modena. Das Wetter vielversprechend.
Der Apennin. Doch, wirklich.
Von einem nebligen Tag in Modena kann man sich viel versprechen. Antonio Delfini, ein in Modena 1907 geborener und dort gelebter Schriftsteller, veröffentlichte in seinem Erzählband "Il recordo della Basca" (das einzige Buch von ihm, das ins Deutsche übersetzt wurde) die Geschichte "Der Schmuggler" über einen Glücksspieler und Schmuggler im Modena der 1930er Jahre. Hier spielt der modenese Nebel eine zentrale Rolle und eine sehr schöne Szene passiert nachts in einer Bar im Winter unter den Arkaden in Modena, wo der Nebel so dicht ist dass der Lastwagen des Schmugglers erst aus dem Nebel auftaucht als er direkt vor der Bar zum stehen kommt.
Das ganze Buch ist voller melancholischer Erzählungen eines Schriftstellers, der älter wird und gerne jünger wäre. Auch in Modena wird er nicht überall geschätzt. In Deutschland kennt ihn niemand.
Wie auch immer, der Nebel lichtet sich (leider) und in Modena ist es ganz freundlich. Spaziergang zum Zentrum und zum Dom. Der Dom ist von außen ganz hübsch, innen wunderbarste Romanik mit Ausstattung aus dem 14. Jahrhundert.
Im Zentrum von Modena gibt es außerdem eine Markthalle, die ohne Weiteres von der Piazza XX Settembre so nicht als solche zu erkennen ist weil sich der kleine Eingang von dort im Erdgeschoss eines riesigen Palazzos befindet. Von der Via Luigi Albinetti aus ist sie leicht zu finden. Das ist eine richtige funktionierende Markthalle: In der Mitte des einen großen, von oben mit Fenstern beleuchteten Raumes die Stände mit Obst und Gemüse, rundherum in großen Nischen die Fleischer und Metzger, ein oder zwei Restaurants mit Tischen in der Halle, und in den Gängen zu den seitlichen Eingängen gruppiert die weiteren Stände (Käse, Bäcker, Blumen und so weiter). Dazwischen eine paar Stände, um eine Kleinigkeit zu essen. Ziemliches Gewusel (nicht auf dem Bild, hat aber auch gedauert).
Solche Markthallen gibt es im Süden ja öfters, zumindest in den größeren Städten scheinen sie abe rmehr den Touristen als den Einheimischen zu dienen. Barcelona fällt ein als Beispiel. Aber in Valencia habe ich in Vororten in wunderbaren Markthallen eingekauft, und auch hier in Modena fülle ich meinen Vorrat an Mortadella (am Stück, ohne Pistazien, 7,65 Euro/Kilogramm) auf. In Deutschland kenne ich nicht mehr viele Städte mit funktionierenden Markthallen, Hannover und Frankfurt kommen mir ins Gedächtnis, wobei diese beiden auch schon mehr auf Gastronomie als auf Lebensmittel ausgerichtet sind.
Aber für einen Dom und eine Markthalle fährt man doch nicht nach Modena? Ab zu Ermes zum Mittagessen.
Ermes lebt schon seit ein paar Jahren nicht mehr und ein Team aus zwei Köchinnen und zwei Kellnern führt jetzt Regie in seinem Laden. Publikum und Stimmung sind wie immer. Es gibt jeweils vier primi und secondi, und es werden erst die etwa 40 Gäste durchgefragt und dann wird gekocht. Folglich kommen die primi auch nicht alle gleichzeitig oder in Reihenfolge der Gäste sondern sortiert nach Gericht - erst die Nudeln mit Ragu, dann die mit Erbsen und so weiter. Ich gerate außerdem heute offenbar in das Neujahrsfest des Freundeskreises von Ermes und der Osteria, die Lambrusco trinken und romagnole Lieder absingen und vorher den Text der Lieder auf Zetteln an die Gäste verteilen, damit die auch mitsingen können. Die niedliche junge Frau, die zufällig auf dem Bild ist und mit ihrem Freund zu Mittag isst, braucht die Zettel nicht, sie kennt die Lieder alle auswendig. Wir essen keine Gänse sondern:
Pasta e fagioli
Ossobuco con piselli
Flasche Lambrusco di Sorbara secco (edizione Ermes)
Wasser
Espresso
Amaro aufs Haus
37 Euro.
Das kann dann schon mal zwei Stunden dauern. Sehr gut. Dann mit dem Zug zuerst nach Bologna und dann nach Ferrara. Zugfahren in Italien ist, zumindest mit Regionalzügen, billig - die Fahrt von Modena nach Ferrara kostet 8 Euro. Man kauft die Fahrkarten per App. Die Züge sind wie in Deutschland modern und dreckig, aber sie sind pünktlich - man darf sich wundern. Der Zug wird auch von vorne bis hinten von Polizisten durchkämmt, die jeden Ausweis sehen wollen und diese scannen. Offenbar ist das normal.
Am frühen Abend bin ich wieder in Ferrara und auf dem Weg vom Bahnhof nach Hause geht es direkt durch die Altstadt. Dort gibt es neuerdings eine gute Kneipe mit italienischen, britischen und spanischen Craftbieren, also dauert der Heimweg etwas länger. Nach dem ganzen Gefutter und Getrinke nur ein Stück Brot und Käse zu Abend.
Also für mich fühlt sich das ziemlich nach Entspannung an.