Auf der Karte von Modena ist die letzte, im 16. Jahrhundert geschaffene Stadtbefestigung heute an den doppelten Hauptstraßen um die Innenstadt zu erkennen, von denen die jeweils innere dem Verlauf des damals erbauten Mauerrings folgt ("III" in der Karte). Vor dieser Befestigung gab es bereits zwei ältere - eine aus dem 14. Jahrhundert ("II" in der Karte) die fast der neueren gleicht, aber den Bereich nördlich des damals noch nicht erbauten Palazzo Ducale aussparte und somit unbebautes Gebiet umfasste, was wohl Gärten gewesen sein dürften - und eine aus dem 11. Jahrhundert ("I" in der Karte), die ein bis zwei Straßenzüge enger um das Zentrum führte als die späteren Befestigungen. Neben der zeitlichen Gliederung der Stadtentwicklung durch den Befestigungsbau förderte die Herrschaft der Este in Modena die Vergrößerung der ursprünglichen mittelalterlichen Stadt nach Norden durch den Palazzo Ducale und nach Osten durch den Bau des großzügigen Corso Canal Grande, beide noch innerhalb der Stadtmauern des 14. Jahrhunderts. Der Corso Canal Grande ist im Stadtplan auffällig, er gibt Modena etwas unregelmäßiges. Heute ist diese breite prächtige Straße ihrer Bedeutung und auch einer besonderen Verwendung beraubt.
Der vormittelalterliche Stadtkern von Modena lag südlich der Via Emilia, dort steht der Dom, und von dort breitete sich die Stadt in Richtung Süden und dann auch nach Norden aus. Dabei erscheint die Stadtentwicklung im Süden früher und ungeregelter, während die Straßen im Norden der Via Emilia einem rechtwinkligen Muster folgen. Auch finden sich im Norden, bis auf eine Ausnahme, keine Arkaden an den Straßen.
Viele der Straßen im mittelalterlichen Teil südlich der Via Emilia sind dagegen mit Arkadengängen versehen, es ist ruhig dort und ab und zu findet sich ein Laden oder ein Restaurant. Erst zurück am Marktplatz wird es beim Spaziergang wieder lebendiger, hier liegt auch die Markthalle. Darin eine Orgie von Gemüse, Fleisch, Fisch, Brot und Käse. Erfreulich lebendig ist es darin, ein Beweis dafür, dass sich noch nicht alle Italiener ihre Lebensmittel im Supermarkt vor der Stadt besorgen. In der Altstadt von Modena gibt es keine Lebensmittelläden (negozii), der Einkauf findet auf dem Markt statt.
Zufrieden und ob der zunehmenden Temperaturen leicht erschöpft ziehe ich mich mit einem Buch und einem Espresso auf die Terrasse einer Bar in der Via Taglio zurück. Von dort ist es nur ein kleiner Spaziergang zum Mittagessen bei Ermes [Flickr]. Ermes ist einer der letzten. Von den vielen kleinen Trattorien, die noch vor 20, 30 Jahren die Straßen Modenas gesäumt haben müssen, ist nur er noch übrig geblieben. Statt der Trattorien sind da heute Pizzerien, China-Imbisse, Restaurants, auch viele gute, aber über die traditionell einfache Trattoria oder Osteria schon deutlich erhoben selbst wenn sie sich noch so nennen. Nur bei Ermes gibt es seit vier Jahrzehnten einen engen Raum mit fünf Tischen, darin etwa 30 glückliche Menschen, vor sich die Kochkunst von Ermes Frau, die sie glücklich macht. Ein Familienbetrieb, ziemlich rustikal geführt, keine Karte sondern zwei oder drei täglich wechselnde Angebote. Der helle gekühlte Lambrusco steht sofort auf dem Tisch. Vorspeise essen die Emilianer nicht, also geht es mit Tagliatelle mit Ragu los (die Nudeln sind handgefertigt und ganz frisch) und mit Involtini mit Piselli (Rouladen mit Erbsen) weiter. Zum Nachtisch ein Stück Schokoladenkuchen, einen Espresso und noch ein Schwatz mit den Studenten am Tisch. Alles zusammen für einen, sagen wir mal, unbedeutenden Preis. Wieder ein glücklicher Gast mehr. Ein Denkmal für Ermes gibt es auch. Er sitzt da übrigens vor meinem Palazzo.
Hier ist besonders die Krypta unter dem Chor besuchenswert. Sie wird gestützt von, das schreibt der Reiseführer, den hier wiederverwerteten Resten von uralten Säulen. Sie ist aber auch überaus elegant gegliedert, wieder ein Hinweis darauf, dass Stil in Italien nicht erst seit wenigen Jahrzehnten gepflegt wird. Hier möchte man einfach bleiben, in Gegenwart von Heiligen, denn hier ist es nicht nur klimatisch kühl.
Der Weg führt mich dann nach Carpi, der Kleinstadt in der Po-Ebene, in denen der fürstliche Größenwahn einen Hauptplatz von ungeahnter Größe erschaffen hat. Der Wandel der Stadt, die Bedeutung des Marktplatzes, hier kann man ihn erleben, noch viele Jahrhunderte später. Carpi hält ein Nickerchen, noch sind viele der Geschäfte über die warmen Mittagsstunden geschlossen, aber bald wird es auch dort wieder lebendig. Die hervorragende Bäckerei, in der es 2006 so leckeres Naschwerk gab, ist leider nicht mehr da. Aber der Weinladen. Dennoch geschlossen.
Zurück in Modena weile ich ein paar Viertelstündchen in meinem Palazzo und strebe dann in die Stadt zum Abendessen, doch im Gegensatz zu gestern ist am Montag Abend hier so gut wie alles zu. Die von Gusta Modena empfohlene "Antica Trattoria Cervetta" war auch nicht gerade voll, der Patron schien nicht zufrieden, aber sie füllte sich dann doch und brachte mir ein anständiges Risotto mit Spargel auf den Tisch, ist ja nicht einfach so ein Risotto, dazu bedarf es einer italienischen Mamma und etwa zwanzig Jahren, dann eines deutschen Au-Pair-Mädchens mit Begabung zum Kochen, aber das führt jetzt zu weit, dazu Wein, und sehr guten Schokoladenkuchen zum Nachtisch. Nach einem anschließenden Digestiv in der Bar neben dem Dom hat sich auch die Stadt wieder belebt, die Kneipen sind offen, die Studenten drinnen und draußen und lustig. Es ist warm und freundlich.
Ich bin durch für heute.