27 Mai 2008

Kultur und Flucht in die Berge

Des Morgens ist es wieder gleichzeitig sonnig und diesig und warm. Im Laufe des Tages wird es dazu ein wenig windig werden. Und sehr warm. Man könnte glauben, die Keramikproduzenten in Fiorano Modenese haben ihre Brennöfen aufgeklappt. Aber erst Frühstück mit Caffe, Panino, Marmelade und Hörnchen (mit Cremefüllung, wir sind ja in Italien und es muss süß sein).

Danach mache ich ein wenig in Kultur. Der Palazzo dei Musei ist nur wenige Schritte entfernt. Direkt angebaut ist die Kirche von Sant'Agostino, innen stark überformt. Aber ich will ja ins Museum, und davon gibt es hier gleich mehrere.

Ich starte mit der Biblioteca Estense (der Schlüssel muss erst noch gesucht werden, dann ist die Kasse weg, aber alle sind sehr nett), ein nicht zu großer Raum mit Bücherregalen ringsum und etwa zwanzig Vitrinen, in denen besonders schöne Stücke aus dem Zeitraum 10. bis 16. Jahrhundert ausgelegt sind. Und schön sind sie wirklich, mit herrlichen Ausmalungen. Aus allem sticht hervor die Bibel des Borso aus der Familie Este. Ganz fein. Danach eine Etage höher in die Galleria Estense, die Reste der Kunstsammlung der Este. Ein großes Museum, leer von Menschen, leer auch von einigen verliehenen Bildern, modern und ansprechend gestaltet. Wenn man sich gerne Madonnen anschaut ist man hier richtig. Gute zwei Stunden vergehen nicht nur mit Bildern, sondern auch mit Skulpturen und Porzellan. Am liebsten mitgenommen hätte ich die Flora von Cignani. Von Cignani hängt auch noch ein wunderhübsches Bild in der Gemädegalerie Alte Meister in Dresden.

Nun ist draußen schon deutlich wärmer geworden. Also ins Juta Cafe unter die Markisen in den leichten Sommerwind und eine erfreuliche Bresaola mit Artischocken, Rauke und Parmesan zu Mittag gegessen. Und es wird wärmer. Der Tourist aus dem Norden verbindet das Angenehme mit dem Angenehmen und flieht ins Auto. Mit Klimaanlage. Und fährt - weiter gen Süden. Ist nicht so bekloppt wie es klingt denn im Süden von Modena kommt man gleich hinter Maranello in die Berge, dem Ausläufer des nördlichen Appenins, und dort ist es grün und schön und auch ein wenig kühler.

Den ganzen Nachmittag verbringe ich hier und fahre auf und ab und gelange schließlich nach Monteveglio, einem kleinen Städtchen fast schon bei Bologna, am Fuße eines Berges gelegen. Dort führt eine Straße hinauf nach Monteveglio Alto, das ist dann ein sehr altes, sehr kleines und sehr stilles Dorf. Heute auch ein sehr warmes Dorf. Und es hat eine Abbazia. Und, natürlich, eine Kirche. Und zwei Restaurants. Und ein "Bed and Breakfast". Hier kann man sich so richtig nett zurückziehen. Keiner stört. Keiner bringt Mittagessen.

Zurück in Monteveglio ist man schon wieder in der Ebene, es ist Feierabend. Auf dem Rückweg nach Modena schaue ich noch kurz in San Cesario sul Panaro vorbei, einer leider vom Verkehr nicht geschonten Kleinstadt bei Modena, und werfe einen Blick in die romanische (1112 begonnene) Kirche San Cesario. Dort ist es romanisch, dunkel, streng und kühl. Sehr angenehm.

Wieder in Modena genieße ich den Feierabend, kühle mich mit zwei Gläsern Prosecco und einem Buch und mache dann den vorabendlichen Stadtspaziergang zum "Il Fantino", das Tortellini mit Ricotta und Rotwein für mich hat. Hier treffe ich zum ersten Mal auch Touristen in spürbarer Menge. Der große zusammengestellte Tisch für 15 ist aber für einen Geburtstag, das Geburtstagskind ist ein Mädchen von vielleicht 14 Jahren (schwierig zu sagen bei Italienierinnen) und sie hat ihre Freundinnen mitgebracht. Mama und Papa bewachen wohlwollend das Fest, das lustig und erstaunlich gesittet abläuft. Leider war das Essen nicht vollends überzeugend. Der Abendspaziergang führt also zu meinem Palazzo zurück, direkt daneben beginnt die Via Taglio und ein kleiner Platz ist Fußgängerzone, dort hat ein kauziger älterer Italiener einen Weinladen und hat ein paar Tische auf den Platz gestellt. Jetzt passt auch langsam die Temperatur, aus dem Laden klingt Avro Pärt, die Nacht folgt dem Tage und ich lese noch ein wenig und unterhalte mich mit dem Wirt über Antonio Delfini. Er erzählt, dass die Stadtsparkasse von Modena jährlich einen Literaturpreis unter seinem Namen vergibt. Ansonsten solle ich nicht auf besonders viel Zuneigung der Modenesi für ihn setzen.