Wenn man die Via Mazzini verläßt und nach links in die Via Carlo Cattaneo einbiegt, kommt man zum Palazzo Broletto, zur Torre del Populo und zur Loggia delle Gride. Die rückwärtige Fassade des Palazzo, die an einer schmalen, nicht für Zeremonien bestimmten Straße liegt, erweckt in mir sogleich einige jener trüben Gedanken, ohne die ein schöner heller Morgen nicht vollkommen wäre. Ich betrete den Hof des Palazzo; und hier bin ich mehr als zwanzig Minuten lang vollkommen glücklich, wie neulich abend in Turin, nämlich ohne besonderen Grund. An diesem Ort "erwischt" man das Glück, wie anderswo den Schnupfen. Es gibt hier gar nichts Außergewöhnliches zu sehen, außer eben den Hof eines mittelalterlichen Palastes, über den um diese Stunden ein paar moderne Arbeiter in die Fabrik und ein paar Hausfrauen auf den Markt gehen. Jean GionoWir befinden uns in der dritten Woche meines dreiwöchigen Urlaubs. Ganz Deutschland ist von Arbeit besetzt. Ganz Deutschland? Nein, ein kleiner Ingenieur hört nicht auf, sich gegen die Arbeit aufzulehnen. Die ersten beiden Urlaubswochen ging es nicht anders, was ist schon Urlaub, aber jetzt reicht es. Ab nach Italien!
Die Wahl fiel, wieder, auf die Marken, denn dort erwarteten mich zwei Ereignisse, die zu verpassen nicht statthaft war. Aber der Reihe nach. Vor den Genuss kommt die Anreise. Ab der italienischen Grenze immer eine tolle Sache, bis dahin eigentlich nur Kilometer fressen.
Also mutig erst um 7:15 in Düsseldorf Abfahrt, nach 5 Stunden München, Tanken und ein kleiner Imbiss in Kufstein im glücklichen Österreich, ungefähr um 13:30 am Brenner. Ich mag den Brenner nicht. Der Grenzübertritt nach Italien ist zu unspektakulär und IGL zwang mich, Österreich mit Tempo 80 zu durchqueren. Wer ist eigentlich IGL? Interessengemeinschaft große Langeweile? Egal. Das Wetter dafür angenehm, ab dem Brenner dann SEHR angenehm, sonnig und richtig warm. Finalmente in Italia. 300 Kilometer bis Modena. Dort dann den ungewohnten Schlenker Richtung Bologna, und dann immer an der Adria entlang. Ungefähr so schön:
Das Navigationsgerät verspricht nicht zu viel: Die Autobahn der Sonne.
Kurz hinter Rimini, es zieht sich und ist schon nach acht, dann die Abzweigung ins Landesinnere, ich fahre gegen den Sonnenuntergang an den gerade noch beschienenen Hügeln entlang. Schließlich die Schotterpiste zum Agriturismo.
Die Begrüßung ist herzlich, den Beiden geht es gut, aber wir wollen nicht lange fackeln sondern setzen uns zu Tisch. Dort bringt man mir Ravioli mit Butter und Salbei, Salsicce mit Spinat und Zitrone, roten Wein von Di Sante und einen Amaro. Das Haus des Agriturismo wurde vom Erdbeben in L'Acquila verschont, den Katzen geht es gut, der Hund ist auf der Jagd erschossen. Das Zimmer ist diesmal hinten raus und draußen ist es vollkommen still.